In der Grösse 90 mm produzierte Victorinox zwei unterschiedliche Serien an Taschenmessern, die jeweils für spezifische Berufsgruppen konzipiert waren. Die Serie mit den Modellen Nr. 171 und Nr. 172 wurde speziell für Bäcker entwickelt: zum Aufschneiden von Getreide- oder Mehlsäcken. Die zweite Serie mit den Nummern Nr. 284–295 bestand aus Gartenmessern. Obwohl beide Serien die gleiche Grösse hatten, waren sie vom Aufbau sehr unterschiedlich. Entsprechend konnten keine gemeinsamen Bauteile verwendet werden. Beide Serien hatten ihre Anfänge um 1915–1920. Einzelne Taschenmesser, die in Aufbau und Funktion beinahe unverändert blieben, werden noch immer produziert. Victorinox gelang es ausserordentlich gut, mit seinen spezifischen Produkten einzelne Berufsgruppen oder Berufszweige anzusprechen, indem der Hersteller Werkzeuge entwickelte, welche genau den Bedürfnissen dieser Gruppe entsprachen. Hinzu kam oft eine sehr breite Palette an zu wählenden Konfigurationen. Noch heute werden bestimmte spezielle Messer weitgehend von Hand hergestellt und geschliffen, weil für eine Automatisierung die Produktionsmenge fehlt. Die Serie der Gartenmesser von 90 mm war grundsätzlich mit insgesamt fünf verschiedenen Funktionsteilen aufgebaut. Es gab vier unterschiedliche Klingenformen, je nach Gartenarbeit, sowie ein Werkzeug aus weichem Material, dem sogenannte Rindenlöser. Die Werkzeuge konnte man wahlweise als Einzelklinge bestellen, oder aber in Kombination mit anderen Klingen, was insgesamt eine Auswahl von zehn unterschiedlichen Taschenmessern ausmachte. Von diesen zehn Kombinationen sind manche kaum oder sehr selten anzutreffen, während sich zwei bis drei Modelle offenbar häufig verkauften, weil sie eine gesuchte und beliebte Kombination darstellten. Im Bild oben sind die fünf Werkzeuge der Serie der Taschenmesser der Nummern Nr. 284–295 abgebildet. Die Klinge ganz links dient zum Pfropfen von Sträuchern. Diese Klinge wurde bei acht der zehn Modelle verwendet und stellte somit die wichtigste Klinge dar. Je nach Gartenarbeit und Spezialität kamen weitere Klingen hinzu.
Der Rindenlöser, auf den Bildern ganz rechts abgebildet, wurde aus Messing oder Stahl gefertigt und die Klinge war sehr weich abgerundet, um die unter der Rinde liegende Schicht der Pflanze nicht zu verletzen. Ganz zu Beginn war diese Klinge aus Horn gefertigt und konnte nicht eingeklappt werden. |